Pfarrer Dr. Beyhl: Andacht “Ich war´s nicht” (Text)
Impuls Sitzung Landesposaunenrat im März 2025
Ich war’s nicht. Ehrlich nicht. Was, werden sie fragen, war ich nicht. Keine Ahnung. Hauptsache, Sie wissen: Ich war’s nicht.
Was glauben Sie, wie viele Menschen mit mir so durchs Leben marschieren: ein „Ich war’s nicht“ auf den Lippen, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Das tun wir Menschen schon in frühester Kindheit.
In der Küche machte es klirr und als ich kam, da stand meine dreijähriger Sohn und vor ihm lag ein zerdeppertes Glas. Felsenfest behauptete er: „Ich war es nicht“ – obwohl kein anderer in Frage kam. Ich sagte: „Das ist doch nicht so schlimm, das passiert jedem ein Mal, das nächste Mal besser aufpassen.“ Aber er steigerte sich immer mehr hinein und rief „Ich war es ehrlich nicht.“ Was soll ich tun?
Gute Frage. Wir wissen natürlich, dass der Kleine das Glas runtergeschmissen hat. Ist ja logisch. Warum aber sagt er dann: Ich war’s nicht?
Ich war’s nicht – sagen auch wir viel zu oft. Auch dann noch, wenn jeder weiß, dass wir es waren. Ganz anders David in Psalm 38: „So bekenne ich denn meine Missetat und sorge mich wegen meiner Sünde.“
Das ist etwas, das viele Menschen heute nicht mehr tun. Sich zu sorgen wegen ihrer Sünde. Vor allem dann nicht mehr, wenn sie erst einmal passiert ist. Kommt vor. Schwamm drüber. Und überhaupt: Sünde. Schuld. Davon will ich nichts hören. Schon gar nicht, wenn die Kirche einmal wieder ihren moralischen Zeigefinger erhebt und mich als Sünder bezeichnet.
Durch nichts zeichnet sich unsere Gegenwart wahrscheinlich so sehr aus wie durch einen unheimlich-heimlichen Unschuldswahn. In unserer unschuldsbesessenen Welt wird menschliche Schuld weithin verdrängt. Was kann ich denn dafür, dass die großen Konzerne Menschen in Fabriken ausbeuten mit Niedriglöhnen? Was kann ich denn dafür, dass die großen Energielieferanten mit ihren Kraftwerken die Umwelt verpesten, zerstören?
Schuld auf sich zu nehmen, das ist aber nur die Kehrseite davon, Verantwortung zu übernehmen. Dafür scheinen die Menschen mehr denn je unfähiger zu werden. Deshalb versuchen wir uns auch allenthalben zu ent-schuldigen. Wir kultivieren geradezu unsere Unschuld und praktizieren die Kunst, es nicht gewesen zu sein.
Selbst wir Christen tun uns schwer in unserer Kirche, mit Schuld umzugehen, Schuld einzugestehen und dann das erlösende Wort der Vergebung zu empfangen. Auch wir Christen pflegen die Schuld so oft nur bei den anderen zu suchen: die Pfarrer bei den Gemeinden, die Gemeinden bei den Pfarrern, alle bei den Dekanen und Bischöfen und einig sind wir uns, dass sowieso der Papst an allem Schuld ist.
Im Gegensatz von uns Menschen weicht Jesus der Schuld des Menschen nicht aus. Im Gegenteil. Er nimmt die ganze Schuld der Menschen auf sich, damit wir wieder befreit atmen können.
Damals am Kreuz. Breitet er die Arme aus, um alles auf sich zu nehmen, was uns belastet. Damit wir nicht mehr davon laufen müssen, sondern befreit zu uns stehen können. Dieser unzähmbare Wille zur Vergebung durchzieht das ganze Leben Jesu und setzt sich bis ans Kreuz fort.
Für mich die wichtigste Begebenheit der Passionsgeschichte ist diese: Dort auf Golgatha. Die zwei Männer, die mit Jesus gekreuzigt wurden. Sie verdienten ihre Strafe. Sie waren Mörder. Hatten unglaubliches Leid über andere Menschen gebracht. Das Kreuz war die schlimmste Strafe für die schlimmsten Verbrecher. Qualvoll. Lange. Aber am Kreuz erkannte einer von beiden seine große Schuld und die Unschuld dessen, der neben ihm am Kreuz hing. „Wir hängen hier zu Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Jesus, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst.“
Der Mann, der neben Jesus am Kreuz hängt, tut Buße. Man mag sich fragen, ob es echte Reue war oder er nur aus Angst vor dem Tod diese Worte sprach. Aber Jesus sah sein Herz. Er sah einen Menschen, der sich von seinem bösen Wege bekehrte. Und er verspricht ihm: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir in meinem Reich sein.“
Zu dem stehen, was man gemacht hat. Auch zu dem, was man falsch gemacht hat. Das macht frei. Weil Gott mich frei macht. Mit mir einen Neuanfang machen will. Weil er sagt: „Dann wirst Du in meinem Reich sein.“
Jeden, der mich fragt, was es mir bringt, zu meiner Schuld zu stehen, auch zu beichten, dem sage ich: Leben. Es bringt dir Leben. Befreites Leben. Jetzt. Und in Ewigkeit.