Pfarrer Martin Anefeld: Andacht “Stille” (Text)
Abendandacht zur Posaunenratstagung EPiD (21.03.2025)
„An Okuli da kommen sie“, die Delegierten der Posaunenratstagung.
Schön, kann man sich verlässlich jedes Jahr in den Kalender eintragen.
Nebeneffekt: Seit fast 30 Jahren habe ich keinen Gottesdienst an Okuli gehalten.
Dabei gehört zu Okuli einer der schönsten und tiefgründigsten Texte der Bibel: diese Geschichte des Propheten Elia. (1. Kön 19) Der geht in die Wüste, legt sich unter einen Wacholder, um zu sterben: „Es ist genug. So nimm nun, Herr, meine Seele.“ Doch der Engel des Herrn kommt zu ihm, berührt ihn, einmal, zweimal, gibt Wasser und Brot. „Steh auf und iss, denn du hast einen weiten Weg vor dir.“ Und Elia steht auf und isst und macht sich auf den weiten Weg, 40 Tage und Nächte durch die Wüste zum Berg Horeb. Dort begegnet ihm Gott. In diesem Moment – als Elia Gott so nah ist, dass er sein Antlitz verbergen muss – ist kein Lärm, kein Brausen, kein Sturm, kein Erdbeben, kein Feuer. Es ist – Stille.
Es ist so laut geworden um uns. Ich meine nun nicht den permanenten Motorenlärm, die pausenlose Musikbedudelung. Ich meine die lärmenden Menschen, die andere niederbrüllen, die Schreihälse, die nur sich kennen, die Hasstiraden und Hetzparolen loslassen. Ruhe! Stille!
Ich glaube, Menschen ertragen Stille nur schwer. Sie tun alles, um es nicht still sein zu lassen. Warum? Weil in der Stille solche Macht liegt. Weil sie stört im Getriebe. Weil sie verstört. Aber durch die Verstörung können sich Dinge neu ordnen, Gedanken, Gefühle, Pläne, Vorhaben. Die Stille zwingt uns zu uns selbst. Denn:
In der Stille hört man besser.
Wir können unsere Ohren nicht aktiv verschließen, und doch filtern wir ständig weg, was wir nicht hören wollen. In der Stille kann man dem Zuhören nicht ausweichen. Und das ist ein Segen. Denn jedes Zuhören verändert. Wenn ich selbst ganz Ohr bin, bin ich ganz offen für das, was im Hören buchstäblich in mich geht. Wenn ich einem anderen mein Ohr leihe, bin ich ganz bei ihm. Ich bin auch ganz bei mir. Und das tut gut, mehr: das tut Not.
In der Stille weicht man den Fragen weniger aus.
Der Lärm deckt entscheidende Fragen zu. Die Fragen an das Leben: war es richtig oder falsch, was ich getan habe? Ist es hilfreich oder schädlich, was ich vorhabe? Dient es der Wahrheit oder der Verschleierung von Wahrheit, was ich tue? Stille hilft, die Fragen an sich zu hören und damit auch sich selbst wieder ernst zu nehmen. Was ist meine Antwort auf diese Fragen? Was ist meine Ver-Antwortung?
In der Stille weicht man Gott weniger aus.
Je mehr ein Mensch es fertig bringt, Geschäftigkeit und Getriebenheit abzulegen, je mehr ein Mensch dem Lärm ausweicht und die Stille sucht, findet und aufnimmt, je mehr ein Mensch im Hören auf sich und andere zu sich selbst findet, je mehr ein Mensch sich seiner Verantwortung bewusst wird, desto wahrscheinlicher wird eine Begegnung mit Gott, desto wahrscheinlicher beginnt unser Herz zu sprechen zu diesem Gott:
„Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft.
Denn er ist mein Fels, meine Hilfe, mein Schutz,
dass ich gewiss nicht wanken werde.
Sei nur stille zu Gott, meine Seele;
denn er ist meine Hoffnung.
Er ist mein Fels, meine Hilfe und mein Schutz,
dass ich nicht wanken werde.“
(Ps 62, 2-3.6-7)
Stille
EG 483
Eine ruhige Nacht und eine seliges Ende verleihe uns der allmächtige, gnädige Gott.
Es segne und behüte uns Gott, der Allmächtige und Barmherzige, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Amen.