Pfr. i.R. Pauckstadt-Künkler: Andacht Mitgliederversammlung Posaunenchorbezirk Weiden am 16.3.2024

Mit dem kommenden Sonntag Judika begann früher die eigentliche Passionszeit. Leid, Sterben, den Tod aushalten sind die Themen vor Ostern. Dazu hören wir Paulus:

2.Kor.12,9 Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne. 10 Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Fitnessstudio um die Ecke wirbt mit Plakaten von durchtrainierten 60-Jährigen, die aussehen wie 30-Jährige. Das Klinikum entlässt jemanden nach einer Leistenbruchoperation am selben Tag und eine Mutter mit ihrem Neugeborgenen binnen 48 Stunden. Eine Grippe sollte nicht mehr als einen Tag dauern und der Trauerprozess nach einem Todesfall nicht mehr als einen Monat. Kaum ein Foto wird mehr gepostet ohne dass es mit dem entsprechenden App so retuschiert wurde, dass die Haut samtweich, der Po knackig hoch und die Augen gross sind. Die Helden und Heldinnen der Gegenwart sind sportliche, erfolgreiche und immer gut gelaunte Influencer, die auf Instagram und Twitter tausende von Followers beeinflussen. Da wird kaum eine Schwäche sichtbar, außer man gönnt sich ein Eis, fotografiert es und nennt es Sünde.

Schwäche, Versagen, Elend, psychische und physische Not gehören nicht zur aktuellen Lebenskonzeption. Unsere Gesellschaft zeichnet sich nicht durch besondere Fehlerfreundlichkeit und Empathie für Schwachheit aus. Jung, stark, erfolgreich, sportlich, gutaussehend und immer fröhlich, so sehen die Gewinnerinnen und Gewinner unserer Gesellschaft aus.

Paulus steht im 2. Korintherbrief auch Influencern, Beieinflussern, gegenüber. Diese religiösen Influencer beeinflussen die korinthische Gemeinde. Sie schwingen beeindruckende Reden und rühmen sich großer religiöser Erlebnisse und Visionen. Sie fühlen sich Paulus überlegen und betonen, dass sie größere Wunder- und Krafttaten auszuüben vermögen. Für Paulus ist das genau anders herum: Schwachheit, Not und Leiden gehören zum apostolischen Dienst.

Paulus eröffnet seinen Zuhörerinnen und Zuhörern eine neue Möglichkeit Gottes Wirken zu entdecken. Gerade in der Schwachheit (wenn auch nicht ausschließlich in ihr) kann und will sich Gott als wirksam und heilvoll erweisen. Paulus, der Versagen und physische und psychische Schwachheit persönlich erlebt hat, erklärt der Gemeinde in Korinth so seine Vollmacht. Er kennt die Sorgen, Zweifel und Nöte der Gemeindeglieder.

Das Verständnis von Schwachheit, das man bei Influencern auf social Media findet, ähnelt dem der Stoiker damals: Schwachheit ist ein Mangel. Mangel an positivem Denken, an Disziplin, an innerer Abwehrkraft. Jeder ist seines Glückes eigener Schmied. Heute, wo für den modernen Menschen fast alles machbar ist, wird Schwachheit so weit wie möglich ausgemerzt. Was für eine Aktualität die Narrenrede des Paulus doch heute noch hat!

Paulus fordert keine Überwindung der Schwachheit, denn gerade in ihr vollendet sich die Kraft Christi, darin wird Gottes Gnade erlebbar. Nicht nur für ihn, sondern für jede Christin und jeden Christen.

Im Zeitalter der Influencer, der schönen, fitten und immer jungen Menschen erinnert mich Paulus so daran, das Schwäche, Not, Leid und Elend gerade kein Argument gegen Gottes Wirken sind, sondern auf Gott hinweist.

Gerade in Menschen, die Schwachheit und Zerbrechlichkeit zulassen und nicht versuchen den Schein vollkommener Makellosigkeit zu wahren, stecken starke Persönlichkeiten. In solchen Personen kann sich Gottes Wirken entfalten. Denn gerade die scheinbar «schwachen» Anteile im Menschen, seien es Traurigkeit, Ohnmachtsgefühle oder Versagen, können zu Offenbarungsorten werden. Gottes Kraft und Wirksamkeit entfaltet sich immer wieder besonders in diesen Zeiten, wo Menschen in einer Krise stecken. Gott kommt nicht in der Aufhebung der Schwachheit zum Ziel, sondern durch die Schwachheit.

Amen.

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