Pfarrer Dr. Beyhl: Andacht zum Gebet (Text)

Andacht für eine ZOOM-Fortbildung des Bayerischen Posaunenchorverbandes am 14.04.2021

Es war eine dieser Unterbrechungen der besonderen Art. Sonntagmittag, das Essen steht dampfend auf dem Tisch. Wie es sich gehört, sprechen wir als Familie unser Tischgebet.
Plötzlich unterbrochen von einem meiner Jungs: „Papa, du betest gar nicht richtig.“
Was ich falsch gemacht habe? Ich hatte die Hände nicht gefaltet, wie unser Jakob das aus seinem Religionsunterricht gewohnt war.

Ich habe beim Beten darauf geachtet und mir ist aufgefallen, wie selten ich meine Hände falte beim Gebet. Obwohl ich es doch selbst so gelernt habe und es sich doch gehört.

Warum? Ich habe gar nicht so genau nachgedacht. Und geredet noch viel weniger darüber. Gebet ist halt doch sehr persönlich.

Gründe zum Beten habe ich mehr als genug. Und manche Gebete machen sogar richtig Spaß.

Zum Beispiel das Lobgebet: einfach mal sich freuen, dass die Welt schön und herrlich ist. Viel Wunderbares für mich bereit hält: Erdbeeren mit Sahne, Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Manchmal ist das Genießen von Gottes Schöpfung ein wunderbares Gebet.

Oder das Dankgebet: einfach mal Danke sagen. Für all das, was ich sonst so selbstverständlich annehme. Danke sagen, das ist ja nicht nur etwas, was mein Sohn beim Metzger für eine Scheibe Gelbwurst tun sollte.

Auch das Bittgebet tut mir gut, auch wenn es manchmal weh tut. Weil ich in jedem Bittgebet auch merke: Gott interessiert sich sogar für meine Probleme, Sorgen und Ängste.
Ich lerne dadurch, dass ich nicht alles alleine schaffen muss.
Papst Johannes XXIII soll nach einem langen und anstrengendem Arbeitstag, an dem ihm gar nichts gelingen wollte, gesagt haben: „Und übrigens Herr, es ist deine Kirche, nicht meine.“
Es tut gut, Last, Verantwortung auch abgeben zu können.

Das Klagegebet ist mir im Moment wohl am nächsten, in dieser Pandemie-Endlosschleife. Es ist befreiend, auch mal Dampf ablassen zu können und nicht alles in sich reinfressen zu müssen. Mal einen religiösen Urschrei wagen gegen Gott.
Was wir beten können? Da gäbe es viel zu erzählen. Aber es kommt nicht so sehr auf das Was des Betens an, sondern auf das Dass des Betens.

An einem anderen Mittagstisch sitzt die Familie zusammen. Das Essen steht dampfend und duftend auf dem Tisch. Ein Festessen. Max will gleich loslegen.
Die Mutter aber sagt: „Halt, vor dem Essen wird erst gebetet!“
Darauf Max: „Wieso? Wir haben doch für das Essen bezahlt!“

Es ist nicht mehr überall selbstverständlich zu beten.
Manchmal fällt es schwer, weil wir es gewohnt sind, wirklich Persönliches für uns zu behalten. Und nur das zu posten, was ohnehin jeder sehen kann. Das habe ich mir angewöhnt. Manchmal auch beim Beten.

„Papa, du betest ja nicht richtig“: Aber neben dem Was des Betens und dem Dass des Betens ist das Wie des Betens das entscheidende Moment.
Aber anders als ich es mir vielleicht vorstelle.

Unabhängig, ob ich die Hände falte, knie oder mich gen Osten ausrichte.

Das Stück „Little Prayer“ mit seiner Entstehungsgeschichte, das wir gerade gehört haben, hat mich bewegt. Und erinnert an eine Geschichte, die ich euch an diesem Abend mitgeben will:

Eines Abends spät merkte ein Bauer auf dem Heimweg vom Markt, dass er sein Gebetbuch nicht bei sich hatte. Da ging mitten im Wald ein Rad seines Karren entzwei, und es betrübte ihn, dass dieser Tag vergehen sollte, ohne dass er sein Gebet verrichtet hatte.
Also betete er: „Herr, ich bin heute ohne mein Gebetbuch aus dem Haus gegangen, und mein Gedächtnis ist so schlecht, dass ich kein einziges Gebet auswendig sprechen kann. Deshalb werde ich folgendes tun: ich werde fünfmal langsam das ganze ABC aufsagen, und du, der du alle Gebete kennst, kannst die Buchstaben zusammensetzen und daraus die Gebete machen, an die ich mich nicht mehr erinnern kann.“
Und der Herr sagte zu seinen Engeln: „Von allen Gebeten, die ich heute gehört habe, ist dieses ohne Zweifel das Beste, weil es aus einem einfachen und ehrlichen Herzen kam.“

Beten. Egal wie. Hauptsache ich bete. Mit dem, was mich bewegt. Egal ob grammatikalisch korrekt oder mit gefalteten Händen.
Mit Herzen, Mund und Händen, um es mit den Worten eines Gesangbuchliedes auszudrücken.
Beten nicht, weil es sich so gehört. Sondern weil es aus dem Herzen kommt. So wird aus einem „little prayer“ ein ganz großes, gutes Gebet.

Hintergrundinformation:

Das genannte Stück “A Little Prayer” stammt von Evelyn Glennie, einer schottischen Musikerin und Komponistin, die nahezu taub ist.

Hier ein Youtube-Link: A Little Prayer

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