Pfr. Sauer: Andacht zu Rogate (Text)

Votum/Begrüßung:
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der heutige Sonntag heißt Rogate. Übersetzt: „Betet!“ Martin Luther hat zum Beten mal was sehr Schönes gesagt: „Wie ein Schuster einen Schuh macht und ein Schneider einen Rock, so soll ein Christ beten. Eines Christen Handwerk ist beten.“ Beten als Handwerk. Ein spannender Gedanke. Fangen wir gleich damit an und beten mit Worten aus Psalm 95.

Psalm 95, 1-6 (Basisbibel)

Auslegung zu Matthäus 6,5-15

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen,

wenn es um’s Beten geht, erleben ich bei manchen Mitmenschen eine gewisse Unsicherheit. Bei Tauf- oder auch bei Traugesprächen fällt mir das immer wieder auf. Da bitte ich darum, dass Angehörige oder Freunde das Schlussgebet übernehmen. Manchmal sind Paare/Eltern dann verunsichert und fragen: „Wie sollen wir das machen?“ Und: „Wie viele Bitten oder Gebetsanliegen dürfen/sollen es denn sein?“

Diese Unsicherheit gab es scheinbar schon zu Jesu Zeiten. Sogar bei seinen Jüngern. Da sagte nämlich einer zu ihm: (Lukas 11,1) Diese Bitte greift Jesus im Lukas- und auch im Matthäusevangelium auf und zeigt seinen Jüngern, wie das geht mit dem Beten. Hören wir, was Jesus sagt.

Predigttext: Matthäus 6, 5-15 (Lutherübersetzung)

„Vaterunser im Himmel…“ Es ist das Gebet aller Gebete. Viele Menschen kennen es. Auch die, die mit Glaube und Kirche nur noch wenig am Hut haben kennen diese festen Formulierungen.
Und zugleich ist es noch mehr. Es ist so eine Art Grundsatzerklärung zum Beten. Jesus zeigt damit wie und wofür wir beten können und sollen – auch unabhängig vom Vateruser.

Das fängt schon mit der Anrede an. Denn es ist ja eigentlich nicht von vornherein völlig klar, wie wir Gott anreden. Es gäbe die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Gott natürlich, oder, ein bisschen philosophisch, Gott als „Grund des Seins“, oder als „höheres Etwas“. Wie wir jemanden anreden spiegelt unser Verhältnis zu ihm/ihr wieder. Fromme Juden sprechen den Gottesnamen z.B. gar nicht aus, weil er ihnen als heilig gilt. Sie umschreiben ihn und sagen „Adonai“, d.h. übersetzt „mein Herr“. Jesus legt uns eine ganz andere Anrede nahe. „Vater unser im Himmel…“ Gott sollen wir als „Vater“ anreden, bzw: wir dürfen es! Und das ist alles andere als selbstverständlich. Gott ist ganz anders als wir Menschen. In Psalm 95, den wir vorhin gebetet haben, heißt es: „Lasst uns vor dem HERRN niederknien, vor unserem Schöpfer.“ Gott ist der Schöpfer, wir seine Geschöpfe. Wenn Jesus uns also auffordert und sagt: „Nennt Gott euren Vater“, dann deswegen, weil er uns teilhaben lassen will an der Nähe zu Gott, die er gelebt hat und aus der er gelebt hat. Und daran lässt er uns teilhaben. Deswegen dürfen auch wir Gott „unseren Vater im Himmel“ nennen und wie Kinder zu ihren Eltern kommen. Jesus geht es dabei ums Vertrauen. So wie Kinder – im Idealfall zumindest – Vertrauen zu ihren Eltern haben, so dürfen wir Vertrauen zu Gott haben, dass er es von Herzen gut mit uns meint. Und das wird uns verändern.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich erlebe das immer wieder. Das Gebet, das vertrauensvolle Gespräch mit Gott, verändert mich. Ich spüre dabei, wie ich manches loswerden kann, was mich bedrückt, eben weil ich es aussprechen kann. Ich spüre oft eine Ruhe, die in mich einkehrt, wenn ich bete und wirklich auch bei der Sache bin. Es gibt schon auch Gebete, wo ich nicht richtig bei der Sache, sprich bei Gott bin und die Gedanken sonst wohin abschweifen – auch das kennen Sie vielleicht. Aber ich erfahre immer wieder, dass das Gebet mich verändert, mich die Dinge oft auch wieder klarer sehen und Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden lässt.

Manchmal habe ich aber den Eindruck, dass das Gebet mit einem Wunschkonzert verwechselt wird. Wir wünschen, Gott erfüllt die Wünsche. Und wenn das nicht passiert, dann lassen wir das mit dem Beten halt.
Auch da lehrt uns Jesus, dass es anders sein muss!

Das Vaterunser besteht aus sieben Bitten. Die ersten drei beziehen sich aber – und das ist erst mal erstaunlich – nicht auf uns. Die haben auf den ersten Blick mal überhaupt nichts mit uns zu tun. „Geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe…“ Hier geht es um Gott und darum, dass er sich in unserer Welt durchsetzt. Dass nicht das Recht des Stärkeren herrscht oder dass die, die am lautesten schreien Gehör finden, sondern dass Gottes Wille und sein Reich sich durchsetzen in unserer Welt. Und das ist tatsächlich das Wichtigste! Nicht unsere Wünsche und Vorstellungen, nicht unsere vermeintlich gute Moral soll sich verwirklichen, sondern Gottes Wille. Und weil wir als seine Kinder zu ihm gehören und nur mit ihm und durch ihn das sind, was wir sind, deswegen muss es im Gebet zuerst um Gott und um seinen Willen gehen.

Vielleicht hilft uns das ja auch für unsere ganz persönlichen Gebete. Vielleicht hilft uns dieser Hinweis aus dem Vaterunser nicht so sehr um uns zu kreisen, sondern darum zu bitten, dass Gott sich durchsetzt. Vielleicht hilft es uns dabei mehr nach Gottes Willen zu fragen als ihm mit unseren Wünschen in den Ohren zu liegen. Vielleicht verändert das sogar unsere ganze Gebetspraxis.

Aber dann, in den letzten vier Bitten, geht es sehr konkret um unser Leben. Und zwar so konkret, dass ich manchmal sogar bei einer Bitte hängen bleibe und mir ganz konkrete Situationen vor Augen kommen. „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern…“ An wem bin ich schuldig geworden und wen sollte ich um Vergebung bitten? So führt mich das Gebet der Gebete ganz schnell in mein persönliches Leben. Das Vaterunser, ja überhaupt das Beten, ist nicht nur ein vertrauensvolles Gespräch zwischen uns und Gott, sondern es führt uns hinein in unser Leben. Im Idealfall, wenn wir bei der Sache, also bei Gott waren, verändert, verwandelt. Dass das Gebet etwas mit unserem Verhalten zu tun hat macht Jesus sehr deutlich: „Wenn ihr den Menschen ihrer Verfehlungen vergebet, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“

Das Vaterunser, ja, überhaupt jedes Gebet, hat Auswirkungen auf unser Leben. Anders gesagt: Beten und Handeln gehört zusammen. Aber wir handeln eben, wenn wir beten, nicht nach unseren Absichten, sondern im besten Fall nach Gottes Willen. Wenn ich selber die Vergebung Gottes im Gebet empfangen und die befreiende Wirkung gespürt habe, dann kann ich sie meinem Mitmenschen doch nicht verwehren. Wenn ich selber das tägliche Brot empfange – sprich genug zum Leben habe –, dann kann es mir nicht egal sein, wenn es Menschen um mich herum oder auch weiter weg gibt, die eben nicht das Nötigste zum Leben haben.

„Herr, lehre uns beten“, so wurde Jesus gebeten. Seine Antwort ist das Vaterunser, das vertrauensvolle Hören auf und Reden mit dem Vater im Himmel. Eigentlich ganz einfach. Aber tun und uns darin einüben, das müssen wir. Weil, Sie wissen schon: „Eines Christen Handwerk ist beten!“

Amen.

Lied: KAA 035,1-6

Gebet
Himmlischer Vater, wir danken dir, dass Jesus uns gezeigt hat, wie wir beten können. Wir tun es und kommen voller Vertrauen zu dir.
Wir danken dir, dass immer mehr Lockerungen in unseren Alltag einziehen. Omas und Opas dürfen ihre Enkel wieder sehen, der Kontakt zu Freunden ist wieder anders möglich und viele andere Dinge, die wir vermisst haben. Danke dafür.
Wir bitten dich für die, die an Covid 19 oder auch ganz anders erkrankt sind. Sei du bei ihnen nahe in ihrer Krankheit. Schenke denen, die gesund werden können Kraft und Zuversicht. Geleite die, die im Sterben liegen und schenke ihnen den festen Glauben, dass du sie nicht allein lässt.
Wir bitten dich für alle Pflegerinnen und Pfleger, für alle, die im Gesundheitswesen arbeiten, um Kraft für ihren Dienst.
Wir bitten dich für unsere Gesellschaft. Lass uns bei allen Meinungsverschiedenheiten zu Corona aufrichtig und wahrhaftig miteinander umgehen und immer auch die nötige Achtung voreinander bewahren.
Vater, wir wollen auch die nicht vergessen, die unter viel schwierigeren Verhältnissen mit Corona zurechtkommen müssen. Menschen in Flüchtlingslagern, Menschen mit schlechter gesundheitlicher Versorgung. Hilf, dass diese Menschen nicht vergessen werden. Segne du alle Entscheidungen, die getroffen werden, damit auch ihnen geholfen wird.
Stille
Herr, wir danken dir, dass du uns hörst.
Amen.

Vaterunser
Vater unser im Himmel…

Segen
Es segne und bewahre uns der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

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