Pfarrer Sauer: Predigt zum Altjahresabend – Mt 13, 24-30

Gnade sei mit euch von dem der da war und der ist und der da kommt. Amen.

Stille

Predigttext: Mt 13, 24-30

Liebe Gemeinde,

ein Gleichnis, wie wir es gerade gehört haben, ist dazu da, dass wir es auf unser Leben beziehen, Anknüpfungspunkte suchen und fragen, was will mir Gottes Wort für mein Leben sagen?

Schauen wir es uns einmal an.
Nachdem ein Mensch guten Weizen ausgesät hat, geht nachts sein Feind auf das Feld und sät Unkrautsamen aus. Sein Ziel: Er will das gute Werk verderben und den anderen schädigen. Mehr wird über den Feind nicht gesagt. Er kommt, wenn alle schlafen und ist auch sofort wieder weg. Was bleibt ist seine Saat, die irgendwann aufgeht.

Bezogen hat Jesus das Gleichnis auf die Welt. Es wurde aber auch schon auf die christliche Gemeinde gedeutet.
Die christliche Gemeinde, auch unsere hier in …, ist ein Feld, auf dem guter Same genauso aufgeht wie Unkraut.
In jeder Gemeinde gibt es Christinnen und Christen. Und es gibt solche, die sich nur so nennen. Es gibt die, für die der Glaube alles ist. Aber wenn es um die Frage geht, wie man mit dem/der Nächsten umgeht, dann stellen sich einem bei näherer Betrachtung die Haare auf.

Und umgekehrt gibt es Christinnen und Christen, die das Thema Nächstenliebe am liebsten ganz ohne Gott und Jesus beackern würden und man sich fragt: Seid Ihr dann eigentlich noch das, was ihr dem Namen nach seid? Christinnen und Christen, also Menschen, die zu Christus gehören?

In jeder Gemeinde gibt es Weizen und Unkraut.
Die Gefahr dabei ist, dass wir uns ganz gern für den Weizen halten. Für die Guten. Wenn es Unkraut schon gibt, dann sind das „die anderen“.
So wie wir unser Christsein leben ist es richtig. Also zumindest richtiger als bei anderen. Und wenn alle so wären, dann gäb’s wahrscheinlich weniger Unkraut…

Der Blick in die Kirchengeschichte zeigt, dass so immer wieder gedacht wurde. In Münster in Westfalen wurde ab 1530 die sog. Täuferbewegung sehr stark. Man unterschied sich von anderen Evangelischen vor allem in der Lehre von der Taufe. Es sollten nur Erwachsene getauft werden dürfen. Kinder nicht. Das und andere Faktoren führten dazu, dass in Münster innerhalb weniger Jahre eine Art Gottesstaat errichtet wurde.
[Kurze Anmerkung: Diesen Gedanken gab und gibt es nicht nur im Islam!]
Wer sich nicht wiedertaufen lassen wollte verließ die Stadt oder wurde vertrieben. Und wer dem neuen Glauben und vor allem den Anführern des neuen Glaubens nicht folgen wollte bezahlte das schnell mit dem Tod. Es war eine Herrschaft, die wahrscheinlich der der Taliban nicht unähnlich war.
Die Idee: Es darf auf dem Feld kein Unkraut wachsen. Nur Weizen. Die Idee endete in einem einzigen großen Blutbad.

Martin Luther hat das anders gesehen. Er schreibt zu diesem Gleichnis: „Da doch die Kirche ohne Unkraut nicht sein kann, so hieße das Unkraut ausraufen so viel als die Kirche ausraufen.“
Also heißt das doch: Das Unkraut bleibt auf dem Feld bzw. in der Gemeinde.

Aber jede/jeder, der einen Garten hat weiß doch, dass das keine gute Idee ist. Wer im zurückliegenden Jahr nicht regelmäßig Unkraut ausgerissen hat, der hatte bald nur noch Unkraut.
Doch dieser botanischen Logik widerspricht Jesus und sagt: Lasst beides wachsen bis zur Ernte.

Was also ist unsere Aufgabe bis zur Ernte?
Wir sollten meiner Meinung nach zwei Dinge tun.

Zum einen sollten wir über dem/der anderen nicht den Stab brechen. Was letztlich richtig und vor allem im Sinne Gottes ist, das wird Gott entscheiden. Das meint Jesus mit der Ernte. Am Ende, ganz am Ende, wird er richten und Weizen und Unkraut trennen. Bis dahin sollten wir über unseren Mitmenschen und Mitchristinnen nicht den Stab brechen. Wir werden es aushalten müssen, dass andere Christinnen und Christen Dinge anders sehen und aus ihrem Glauben heraus bestimmte Dinge anders beurteilen als wir. Und das gilt nicht nur im Glauben, sondern überhaupt.
D.h. nicht, dass alles beliebig würde. Nein, es gehört schon die Scheidung der Geister dazu. Und wenn ein Kardinal Müller ernsthaft meint, Corona würde als Vorwand für die Errichtung eines Überwachungsstaates dienen, dann ist es nur richtig, wenn Georg Bätzing, seines Zeichens Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, ihm entschieden widerspricht.
Wir sollen Dinge, die falsch sind auch so nennen. Denn wenn Christus „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ ist, dann sind wir auch der Wahrheit verpflichtet.

Und zum anderen sollten wir guten Samen säen. Und damit meint Jesus konkret: Gerechtigkeit üben. Oder anders gesagt: Nach Gottes Willen leben (V 43)
In den letzten beiden Jahren sind viele Menschen gestorben. In vielen Monaten mehr als sonst. Ich habe Beerdigungen halten müssen, die unwürdig waren. Oft durfte nur im engsten Familienkreis Abschied genommen werden. In einem Fall konnte sich die Frau nicht einmal von ihrem Ehemann am Grab verabschieden. Und viele Menschen sind schlicht und einfach allein gestorben, weil Angehörige nicht ins Krankenhaus durften.
Es war in vielen Fällen unwürdig. Ja, auch ein Stück weit ungerecht. So jedenfalls haben es viele Angehörige empfunden.

Und deswegen fand ich es vor gut einer Woche eine wunderbare und gelungene Aktion, dass sich in Wien ca. 30.000 Menschen zur Aktion „Yes we care“ zusammengefunden haben.
Das Motto hieß: „Im Gedenken an mehr als 13.000 Verstorbene und als Dank gegenüber allen in Gesundheitsdienst & Pflege. Für Solidarität in der Pandemie.“
Man traf sich mit Lichtern oder Kerzen und hielt 10 Minuten Stille. Danach gab es Applaus. Das war’s.
Ein friedliches Zeichen des Miteinanders und zugleich ein Gedenken an die, die diesem C. zum Opfer gefallen sind.
Ich würde sagen: Das ist guter Same, der gesät wurde.

In ähnlicher Weise wollen wir das morgen auch tun. Ich lade Sie ein zur ökumenischen Andacht um 14.30 Uhr im Stadtpark Erbendorf. Wir wollen – ähnlich wie in Wien – der Verstorbenen gedenken und zugleich auch derer, die sich in den letzten fast zwei Jahren in besonderer Weise z.T. wirklich aufgeopfert haben, um für andere da zu sein.

Guter Same. Säen wir ihn. Zusammen. Wir sind ja nicht allein. Gott sei Dank! Säen wir ihn gemeinsam. Auch im neuen Jahr. Samen, von dem wir sicher sein können, dass er Gottes Willen entspricht. Jesus ist der festen Überzeugung: Er wird Frucht bringen. Auch wenn nebenher viel Unkraut wächst. Denn was Gottes Willen entspricht, darauf liegt auch sein Segen.

Ich glaube, so können wir zuversichtlich ins neue Jahr gehen.
Amen.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre uns in Christus Jesus. Amen.

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