Pfr. Zeh: Andacht für den Sommer (Text)
Liebe Gemeinde,
der Sommer ist angekommen. Und obwohl so manche Einschränkung noch bestehen bleibt, locken die Badeseen und Schwimmbäder wieder mit ihrem kühlen Nass.
Besonders für die Kleinen ist das Planschen und Baden eine helle Freude. Ganz wichtig dabei ist, sich über Wasser halten zu können. Und so wird man wieder die ein oder andere Gruppe beim Schwimmen lernen beobachten können: Der Bademeister vorne weg – eine ganze Schar kleiner Kinder hinterher, wie die Entenküken hinter ihrer Mutter.
Ich stelle mir vor, wie das abläuft: Der Bademeister winkt das erste Kind zur Seepferdchenprüfung ins Wasser. 25 Meter schwimmen, ohne den Beckenrand zu berühren. An sich eine Kleinigkeit, sollte man meinen, und einige der Kinder pflügen tatsächlich wie kleine Dampfer durch das Wasser.
Aber anderen wird die Strecke unendlich lang, und mancher würde sie wohl nicht schaffen, wenn da nicht einer wäre: der Bademeister. Der Bademeister weiß genau, welche Kinder besondere Schwierigkeiten haben, und er begleitet sie ins Wasser. Rückwärts schwimmt er vor ihnen her und spricht ihnen Mut zu. Groß, breitschultrig und nicht aus der Ruhe zu bringen steht er vor den Zwergen, die sich manchmal mehr unter als über dem Wasser abstrampeln und immer wieder nach Luft schnappen.
Und dann ist da so ein kleines Kind von vielleicht vier Jahren. Es steht vor dem Wasser, und das Wasser ist tief und bietet keinerlei Halt. Aber da ist einer, der ihm vermittelt: Du kannst es! Hab keine Angst, ich bin da! Schwimmen musst du selbst, und es wird hart. Aber ich bin bei dir, und ich stehe dir bei. Im Vertrauen darauf schwimmt das Kind los. Die ersten Meter gehen noch ganz gut. Aber dann lassen die Kräfte schon nach. Noch ein paar Meter, noch ein, zwei – dann taucht das Kind unter Wasser, kommt spuckend wieder hoch – nein, das reicht jetzt, ab zum Beckenrand. Doch da hört es eine Stimme: “Finger weg vom Beckenrand, ein kleines Stück schaffst du noch!” Das Kind berappelt sich, na gut, vielleicht noch einen Meter, noch zwei. “Ja prima, und noch ein kleines Stück, und noch eins! Siehst du, du schaffst es doch! Weiter!” Das Kind zappelt und strampelt, schluckt zwischendurch Wasser – schwimmen kann man das eigentlich kaum nennen, aber Hauptsache, es kommt vorwärts, und es geht nicht unter. Und immer wieder die Stimme: “Super! Nein, nicht zum Beckenrand, wenn du nicht mehr kannst, dann komm zu mir! Ja, los, komm zu mir!” Nichts lieber als das möchte das Kind jetzt. Aber immer wenn es den Bademeister schon fast berührt, weicht der ein Stück zurück und lockt das Kind dann wieder zu sich. Das Kind sieht nicht, dass es immer noch ein weites Stück zu schwimmen hat. Seine Augen sind fest auf den Bademeister geheftet. Zu ihm will es hin, sonst gar nichts mehr. Der Bademeister lacht ihm entgegen, zum Greifen nah und doch unendlich fern. Ab und zu einmal verschwindet das Kind in den Wasserfluten, aber wenn es auftaucht, sieht es verschwommen wieder dieses lachende Gesicht vor sich. Und wieder strampelt es ein paar Zentimeter in seine Richtung. Und auf einmal bleibt der Bademeister stehen und lässt sich vom Kind greifen: “Herzlichen Glückwunsch! Du hast es geschafft!”
Wir anderen, wir sind noch mitten drin in der Prüfung unseres Lebens. Wir strampeln jeder für sich in unseren tiefen Wasserfluten, und wir sind nicht immer so sicher, ob wir heil da durch kommen.
Aber in einem bin ich mir ganz sicher: Durch unsere Prüfung müssen wir nicht allein. Da ist einer, der uns begleitet. Der uns sagt: Du kannst es! Hab keine Angst, ich bin da!
Ich wünsche Ihnen, dass Sie immer wieder neuen Mut fassen können. Dass Sie in diesen Zeiten Menschen an der Seite haben, die Sie begleiten. Und auch wenn sich manches so anfühlt, als würde man vergeblich strampeln und als wäre die Strecke zu lang…
Gott ist nur eine Handbreit entfernt von einem Jeden von uns. Er hat ein Auge auf uns und hilft uns hindurch. Er freut sich mit uns über jeden geschafften Meter. Und am Ende wird er uns bei der Hand nehmen und ins Gesicht blicken: “Herzlichen Glückwunsch! Du hast es geschafft!”
Ihr Pfarrer Christoph Zeh